Eine ganze Menge: sich informieren, Buch führen und die Signale beachten, die
der Körper gibt. Wichtig ist, über einige Monate einen Kopfschmerzkalender zu
führen und jeden Anfall zu protokollieren, insbesondere vor Arztbesuchen. Solche
Kalender gibt es auch als App (zum Beispiel die Migräne-App
der Schmerzklinik Kiel oder M-sense) oder zum
Ausdrucken (beispielsweise hier).
Ausserdem braucht es Geduld, um den mittelfristigen Erfolg einer Behandlung
beurteilen zu können – und die fehlt vielen.
Eindeutiges Zeichen ist die «Aura». Sie tritt aber nur bei etwa einem oder zwei
von zehn Betroffenen auf. Meist sind das rund 30 Minuten anhaltende Sehstörungen
in Form von flimmernden Punkten, Zickzacklinien, Schlieren oder Schleiern, die
sich allmählich ausbreiten. Selten zeigt sich die Aura an Schwindel,
Sprachstörungen oder anderen, kurzzeitig auftretenden neurologischen Symptomen.
Eine Migräneattacke hält maximal 72 Stunden an, im Gegensatz zum
Spannungskopfschmerz, der sogar eine ganze Woche dauern kann. Bei der Migräne
verstärkt sich der Kopfschmerz durch körperliche Aktivität, beim
Spannungskopfschmerz dagegen kann körperliche Aktivität oder Ablenkung sogar die
Schmerzen lindern. Ein anderes Unterscheidungsmerkmal sind Übelkeit und
Erbrechen sowie die Reizüberempfindlichkeit gegen Licht und Lärm. Dies tritt bei
Spannungskopfschmerzen nicht auf.
Bei knapp einem Drittel der «Migräniker» zeigen sich die ersten Anzeichen schon
bis zu 2 Tage vor den Schmerzen: Gereiztheit, Verlangen nach Süssem, häufiges
Gähnen, Aufgedrehtheit, Müdigkeit oder anderes mehr können Hinweise sein. Setzt
die Migräneattacke ein, werden – zu Unrecht – oft diese Vorboten als Grund
verdächtigt. Schuld war aber nicht die Schokolade – das Verlangen danach war
bloss das erste Zeichen der Migräne.
Samstag ist Migränetag. An diesem Wochentag leiden statistisch die meisten
Migräniker. Erst im April 2019 erschien in der Fachzeitschrift «Acta Neurologica
Scandinavica» eine aktuelle Studie dazu.
Forscher untersuchten die Daten von über 44’000 Migräneattacken von 1085
Teilnehmern. Die Teilnehmer zeigten zwar unterschiedliche individuelle Muster
für die Verteilung ihrer Migräneattacken. Doch für einen grösseren Teil von
ihnen (195 von 1085) schien der Samstag tatsächlich der vorherrschende Tag für
Migräneanfälle zu sein. Auch in früheren Studien stellte sich der Samstag als
typischer Migränetag heraus. Möglicherweise deshalb, weil sie am Freitag später
ins Bett gehen und/oder samstags später aufstehen und das den gewohnten Rhythmus
stört. Eine typische Migränezeit ist übrigens früh am Morgen, aus dem Schlaf
heraus.
Anders als manchmal behauptet, gibt es keine «Migränepersönlichkeit». Menschen
mit Migräne sind aber besonders empfindlich gegen plötzliche Änderungen im
Nervensystem. Vor allem schnelle und starke Wechsel im «Aktivierungszustand» –
also zum Beispiel zwischen Schlaf und Anspannung – provozieren die
Migräneattacken, weil die Nervenerregbarkeit gestört ist. Infolgedessen schütten
die Nervenzellen in bestimmten Hirnbereichen übermässig viele Botenstoffe aus,
was Schmerzsensoren aktiviert und zur Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen
führt. Diese von den Nervenzellen ausgehende Entzündung erfasst auch die
Blutgefässe in den schmerzempfindlichen Hirnhäuten. Migräne wird heute also
nicht mehr als klassische psychosomatische Erkrankung betrachtet, obschon
psychische und soziale Faktoren eine Rolle spielen.
Es gibt genetische Risikofaktoren, die in manchen Familien gehäuft vorkommen. Sicher ist, dass die Migräne eine genetische Grundlage hat. Mittlerweile sind 44 Genvarianten auf 38 Risikogenen dafür bekannt. Zahlreiche davon sind in den Bereichen des Erbguts lokalisiert, die das Blutkreislaufsystem und die Energieversorgung des Gehirns regulieren. Das weist darauf hin, dass eine Störung der Energieversorgung des Gehirns wesentlich für die Entstehung ist.
Das kann Hunderterlei sein: Eine verpasste Mahlzeit oder eine Abmagerungsdiät,
heiss duschen, ein intensiver Geruch, starke Gefühle, Gewürze oder bestimmte
Nahrungsmittel, Alkohol, langes Schlafen, Ferienbeginn oder -ende, Erschöpfung
oder auch Medikamente. Der springende Punkt ist, dass es den Aktivierungszustand
von Nerven verändert.
Jeder fünfte Mensch mit Migräne hegt den Verdacht, dass die Attacken durch
bestimmte Nahrungsmittel verursacht werden. In einer kleinen türkischen Studie
haben Forscher im Blut von 30 Personen nach Abwehrstoffen (Antikörpern) gegen
Nahrungsmittel gesucht. Am häufigsten fanden sie Antikörper gegen Gewürze, Nüsse
und Samen, Meerestiere und gegen Stärke. Als die Versuchspersonen diejenigen
Nahrungsmittel strichen, gegen die sie Antikörper hatten, sank die Zahl der
Kopfschmerztage von durchschnittlich 10,5 auf 7,5 und die Migräneattacken von 9
auf 6,2. Für einen Beweis genügt diese Studie aber noch lange nicht, zumal
verschiedene Fachleute stark an ihren Ergebnissen zweifeln. Wer vermutet, dass
bestimmte Lebensmittel für die Migräne verantwortlich sind, sollte ein
Ernährungstagebuch führen. Das kann hilfreich sein, um Genaueres herauszufinden.
Bioresonanz ist übrigens nicht geeignet, um sicher festzustellen, was ein Mensch
verträgt und was nicht.
Wer täglich mehrere Tassen Kaffee gewohnt ist und an Migräne leidet, bekommt
häufig Schmerzanfälle, wenn er den Kaffee weglässt. Ein Übergebrauch, also mehr
als circa fünf Tassen pro Tag, kann die Migränehäufigkeit erhöhen. Das gilt auch
für koffeinhaltige Getränke. Kaffee sollte regelmässig oder gar nicht getrunken
werden.
Er wird am häufigsten als Auslöser vermutet. Oft spielt aber nicht allein das
Getränk eine Rolle, sondern auch die Tageszeit. Manche Menschen vertragen
beispielsweise Sekt am Abend, am frühen Nachmittag aber löst er fast sicher eine
Migräne aus. Ähnliches gilt vermutlich auch für Nahrungsmittel: Es kommt auch
auf das Wann und Wie an. Wer sich an der Forschung zu den Auslösern von Migräne
beteiligen möchte, kann die «Mira – Kopfschmerz-Radar»-App herunterladen und
seine Anfallsdaten eingeben.
In verschiedenen Ländern der Welt ist die Migräne etwa gleich häufig – trotz unterschiedlichem Klima. Auch die Kopfschmerztage pro Monat oder Jahr sind recht einheitlich. Bis heute gibt es keinen Beweis, dass das Wetter und Migräneattacken zusammenhängen. Wenige Menschen reagieren aber auf sich schnell ändernde Wetterverhältnisse mit Migräneattacken.
Maximal eine von 20 Frauen leidet an reiner «menstrueller Migräne». Diese setzt
ein, wenn der Spiegel des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen absinkt, also
etwa 2 Tage vor der Mens bis 3 Tage nach ihrem Beginn. Häufiger ist die
«menstruell-assoziierte Migräne», die bei der Mens, aber auch zwischendrin
auftritt. Die Gebärmutter- oder die Eierstöcke entfernen zu lassen, nützt
übrigens nichts.
Wichtig ist, alles zu vermeiden, was das Nervensystem zu stark oder zu plötzlich
aktiviert. Konkret heisst das: Ein möglichst «ausbalancierter Lebensstil» mit
gleichmässigen Tagesabläufen. Wichtig sind regelmässige Essens-, Pausen- und
Schlafenszeiten. Auch am Wochenende sollte der Wecker also so gestellt werden
wie sonst. Ausserdem hilft es, die Dinge gelassener zu nehmen Älter werden kann
ebenfalls ein Segen sein: Von den 15- bis 49-Jährigen in der Schweiz gab in
einer Umfrage fast jeder Zweite an, in den letzten vier Wochen Kopfschmerzen
gehabt zu haben, bei den 50- bis 64-Jährigen war es «nur» noch jeder Vierte und
von den über 65-Jährigen jeder Siebte.
Eine kleine, kohlenhydratreiche Mahlzeit – beispielsweise Müesli oder
Vollkornbrot – kurz vor dem Zu-Bett-Gehen kann nächtliche und morgendliche
Attacken unter Umständen verhindern. Sie entstehen oft durch den
Blutzuckerabfall während der Nacht. Empfehlenswert ist auch ein warmes
kohlenhydratreiches Frühstück in Ruhe sowie regelmässige Mittag- und Abendessen
zu festen Zeiten. Eine sehr spezielle Form der Behandlung wird in einem US-Forum
für Betroffene beschrieben: Früh im Migräneanfall hilft offenbar einigen
Personen der «Brain Freeze». Dabei wird zum Beispiel eiskalter «Frappucino»,
Slush – also ein halb gefrorenes Trinkeis –, ein kalter Milkshake oder ähnlich
Eiskaltes erst im Mund behalten und dann rasch getrunken. Eiskaltes Wasser
scheint demnach nicht zu funktionieren. Wissenschaftlich überprüft wurde das
bisher aber nicht.
Sehr wichtig. Erstens, weil erhöhtes Gewicht mit häufigeren Kopfschmerzen
einhergeht und Sport bei der Gewichtsabnahme hilft. Zweitens, weil er –
vernünftig betrieben – entspannend auf das Nervensystem wirkt und Stresshormone
abbaut. Migräniker sollten aber nicht grad voll loslegen, weil das einen
Schmerzanfall verursachen kann, sondern sich erst gut aufwärmen.
Ausdauersportarten sind zu empfehlen, Sprintsportarten nicht. Ideale Startzeit
ist zwischen 16 und 18 Uhr, am besten drei- bis viermal pro Woche, für jeweils
mindestens 30 Minuten, möglichst im Freien und bei jeder Witterung.
Gewichtsabnahme ohne Sport, allein mit Diät, hilft bei Übergewicht, aber nicht
gegen die Migräne.
Da gibt es jede Menge Angebote, von der stationären Behandlung bis zur App.
Entspannungsverfahren, Biofeedback oder kognitive Verhaltenstherapie sind etwa
gleich wirksam. Unter den Entspannungsverfahren ist die «Progressive
Muskelrelaxation nach Jacobson» am populärsten, weil sie schnell erlernbar ist
(die kostenlose Migräne-App
enthält zum Beispiel eine Version). Damit lässt sich die Häufigkeit der Migräne
um 35 bis 45 Prozent reduzieren, also etwa gleich gut wie mit dem vorbeugend
wirkenden Betablocker Propranolol. Am besten plant man täglich mindestens 15
Minuten für das Entspannungstraining ein. Stressbewältigungstraining,
Selbstsicherheitstraining und Sozialkompetenztraining (zum Beispiel, um Nein
sagen zu lernen, wenn das Pensum zu gross wird) sind weitere Möglichkeiten.
Schwanger zu werden, kann vorübergehend Erleichterung bringen: Bei 50 bis 80
Prozent der schwangeren Frauen lassen die Migräneanfälle deutlich nach, am
stärksten in den letzten beiden Dritteln der Schwangerschaft (bei acht Prozent
nehmen die Kopfschmerzen aber zu). Ob das den konstant hohen Hormonspiegeln zu
verdanken ist, den zusätzlichen Endorphinen im Blut, dem veränderten
Serotonin-Stoffwechsel im Hirn und/oder dem meist ruhigeren Lebensstil während
der Schwangerschaft, ist offen. Im Wochenbett setzen die Migräneanfälle meist
wieder ein, und Stillen nützt vermutlich nichts, um sie zu reduzieren.
Das muss jeder für sich herausfinden. Denn kein Arzneimittel wirkt bei allen
gleich gut. Ein Mass ist die «number needed to treat» (NNT). Sie gibt an, wie
viele Betroffene ein Medikament nehmen müssen, damit einer davon profitiert. In
Studien wirkten die sogenannten Triptane
beim akuten Migräneanfall meist besser als Schmerzmittel oder Entzündungshemmer.
Aber das Medikament muss auch zum Patienten passen: Wer zum Beispiel ungenügend
behandelten Bluthochdruck oder Angina pectoris hat, sollte kein Triptan nehmen.
Wer hingegen schon einmal ein Magengeschwür hatte, muss mit gängigen
Schmerzmitteln wie Diclofenac, Ibuprofen oder ASS vorsichtig sein. Zu erwarten,
dass sich allein durch die Akut-Medikamente langfristige Therapieeffekte bei der
Migräne erzielen lassen, ist übrigens utopisch. Es braucht das eigene Zutun.
Fachleute empfehlen, Medikamente und nicht-medikamentöse Verfahren zu
kombinieren. Hier
finden Sie einen Überblick über die unterschiedlichen Wirkstoffe von Triptanen
und ihre Nebenwirkungen.
Es gibt zwar kein Zaubermittel, aber eine Migräne, die sich überhaupt nicht bessern lässt, gibt es auch nicht. Oft werden jedoch die Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, zum Beispiel, weil die Medikamente zu niedrig dosiert sind, oder weil ein Medikament weiter genommen wird, obwohl es dem Betroffenen zu wenig hilft. Wirkt beispielsweise die erste Dosis eines Triptans nicht, wird eine zweite Dosis wahrscheinlich auch nichts bringen. Besser ist dann, auf ein anderes Arzneimittel zu wechseln.
Weil sie im Magen und Darm oft nicht mehr gut aufgenommen werden, wenn der Anfall voll ausgeprägt ist.Voraussetzung für die Medikamenteneinnahme ist:
- dass es sicher eine Migräne ist.
- Wer ein Triptan einnimmt, sollte dies erst tun, wenn die Aura vorüber ist.
- dass es weniger als 10 Tage mit Schmerzmittel pro Monat sind.
Diese kleine Checkliste hilft dabei, die «Triptanschwelle», also den besten Einnahmezeitpunkt für ein Triptan, zu ermitteln.
In verschiedenen Studien hat sich gezeigt, dass bei Migränikern der
Magnesiumspiegel im Hirn niedriger ist als bei Nicht-Migränikern. Es gibt aber
nur wenig Beweise, dass die Einnahme dieses Mineralstoffs gegen die
Kopfschmerzen hilft. Eine Dosis von 10 Millimol pro Tag half den Patienten in
einer Studie an Kopfschmerzzentren jedenfalls nicht. 24 Millimol täglich dagegen
nützten bei Patienten in allgemeinmedizinischen Praxen.
Vitamin B2 könnte eventuell etwas bringen, aber es gibt – wie so oft bei
komplementären Methoden – nur wenige wissenschaftliche Studien dazu. Deshalb
herrscht auch Uneinigkeit, was die Dosis betrifft: Ein US-Fachmann weist darauf
hin, dass 25 Milligramm pro Tag bereits hilfreich sein können. Hiesige Experten
dagegen raten zu 400 Milligramm täglich, mit Verweis auf eine Studie, bei der –
nach dreimonatiger Einnahme des Vitamins – über die Hälfte der Patienten nur
noch halb so oft an Migräne litten. Auch die Schmerzintensität sank bei mehr als
jedem Dritten.
Er kann recht gross sein, und zwar bei allen Verfahren. Bei mittlerer oder
schwerer Migräne beispielsweise hilft die Kombination von Sumatriptan und
Naproxen etwa 28 von 100 Personen, damit sie innerhalb von zwei Stunden
schmerzfrei werden. Mit Placebo haben immerhin 8 von 100 Personen nach zwei
Stunden keine Kopfschmerzen mehr. In einer kleinen Pilotstudie, bei der die
Patienten sogar wussten, dass sie Placebo erhielten, erzielte das
Scheinmedikament immerhin etwa 60 Prozent der Wirkung eines Triptans. Als
Forscher ein Triptan absichtlich als Placebo beschrifteten und das Placebo
umgekehrt die Aufschrift des Triptans trug, wirkte beides gleich gut.
Wenn der Magen bei Migräne streikt, wird auch der Wirkstoff in einer Tablette
oder Kapsel kaum noch aufgenommen. Tropfen, Brausetabletten, Nasenspray oder
Zäpfchen funktionieren in dieser Situation besser. Wer ein Anti-Brechmittel
gegen die Übelkeit braucht, sollte es 15 Minuten vor dem Schmerzmittel nehmen –
falls er nicht sowieso auf eine andere Darreichungsform ausweicht. Ebenfalls
wichtig zu wissen: Eine Migräne kann manchmal länger dauern als die Wirkung des
Schmerzmedikamentes anhält. Sobald diese nachlässt, kehren die Schmerzen wieder
zurück. Bei den Triptanen zum Beispiel tritt dieser «Wiederkehrkopfschmerz» in
15 bis 40 Prozent der Fälle auf. Und der letzte, wichtige Punkt: Medikamente an
maximal 10 Tagen pro Monat einnehmen.
Ja, wenn die Migräneattacken die Lebensqualität mindestens dreimal pro Monat stark beeinträchtigen, regelmässig länger als 72 Stunden dauern oder nicht auf die akute Behandlung ansprechen, wird eine medikamentöse Vorbeugung sogar empfohlen. Das bedeutet dann jedoch nicht, dass keine Schmerzattacken mehr auftreten. Aber die Abstände dazwischen können sich dank der Vorbeugung verlängern oder die Symptome abschwächen. Als wirksam gilt eine Prophylaxe, wenn sie mehr als 50 Prozent der Anfälle verhindert. Das erreichen bestenfalls 60 von 100 Betroffenen. Beurteilt wird der Erfolg erst nach zweimonatiger Einnahme der verträglichen Höchstdosis.
Zum Beispiel Betablocker, die sonst als Blutdrucksenker verwendet werden. Auch
schwach dosiertes Aspirin (100 bis 300 Milligramm pro Tag (maximal 14 Tage pro
Monat), Botox-Spritzen und weitere Medikamente können vorbeugen, nicht alle
davon sind jedoch in der Schweiz für diesen Einsatz zugelassen. Von Zeit zu Zeit
ist ein Auslassversuch sinnvoll, um zu prüfen, ob der Effekt auch ohne
Medikamente anhält. In der Regel stoppt man daher die Medikation nach rund sechs
Monaten. Das oft verordnete Magnesium bringt übrigens – wenn überhaupt – nur
wenig gegen das Kopfweh, verursacht aber gelegentlich Durchfall.
Dann stimmt entweder die Diagnose nicht – vielleicht auch, weil der Betroffene
seine Beschwerden nicht genügend protokolliert und dem Arzt damit die richtige
Diagnose erschwert hat. Oder das Medikament wurde zu spät genommen. Oder die
Dosis war zu niedrig. Oder das gewählte Mittel hilft diesem Menschen zu wenig.
Oder er hat etwas missverstanden. Allein das passive Hinlegen zur Akupunktur zum
Beispiel genügt nämlich nicht. Migräniker müssen selbst einiges tun, damit es
ihnen besser geht. Also zum Beispiel eine Arbeitspause einlegen, Handy
abschalten, nach draussen gehen und überhaupt den Alltag so gestalten, dass sie
«runterkommen» und die Wahrscheinlichkeit für eine Migräne möglichst reduzieren.
Dazu gehört auch genügend Schlaf.
Da scheiden sich die Geister. Die Kombination von ASS, Paracetamol und Koffein
wirkt oft besser als die einzelnen Substanzen und soll durchschnittlich sieben
Minuten schneller wirken. Aber: Die Kombinationstablette führt rascher zu einem
Müks, der Entzug dauert länger und ist mühsamer. Deshalb wird davon abgeraten.
«Müks» steht für
Medikamenten-
Übergebrauch-
Kopf
schmerz, dass die Schmerzmittel selbst Kopfschmerzen bereiten. Wer zu Beginn der Kopfschmerzen noch Kaffee mag, kann statt der Wirkstoffkombination ein Schmerzmittel nehmen und einen Espresso mit Zitrone trinken.
Akupunktur half in einer Studie etwa gleich gut wie der Wirkstoff Sumatriptan,
doch die Beweislage ist dünn. Bei schweren Migräneanfällen schnitt Sumatriptan
aber besser ab. Cannabis-Präparate entspannen die Kopf- und Nackenmuskeln,
helfen beim Schlafen und bessern die Migräne bei manchen Personen – auch da ist
die Beweislage aber noch dünn. Achtsamkeitstraining und Hypnose können ebenfalls
einen Versuch wert sein.
Reto Agosti, Chefarzt des Kopfwehzentrums Hirslanden in Zollikon und Zürich,
empfiehlt unter anderem eine Craniosakraltherapie bei «Therapeuten, die bei
Migräne versiert sind». Yoga dagegen ist seiner Erfahrung nach bei manchen
Betroffenen «zu heftig». Für die meisten alternativen Methoden gibt es keinen
wissenschaftlichen Beweis, dass sie wirken. Weder Aufbissschienen noch
Chiropraktik, Darmsanierung und anderes mehr haben ihren Nutzen bei
Kopfschmerzen oder Migräne unter Beweis gestellt.
Diese Therapien helfen am besten
Verbesserung der Migräne in Prozent
Vorbeugung mit der Betablocker Propranolol
44%
Progressive Muskelrelaxation
41%
kognitive Verhaltenstherapie
39%
Ja, zum Beispiel regelmässiger aerober Ausdauersport oder Akupunktur. Etliche
der schon erwähnten Methoden wie Entspannungsverfahren, kognitive
Verhaltenstherapie oder Biofeedback werden ebenfalls zur Vorbeugung eingesetzt.
Käufliche Selbstlernprogramme gibt es zum Beispiel hier. Auch die medikamentöse Blockade
eines Nervs am Hinterkopf kann helfen – sowie die elektrische Stimulation von
Nerven im Bereich der Stirn und des Nackens (TENS). Rund 2 Tage weniger Migräne
pro Monat brachte in einer Studie ein kleines Elektrostimulationsgerät namens
Cefaly zum Anbringen auf der Stirn oder am Hinterkopf. Es kann auch beim akuten
Anfall schmerzlindernd wirken. «Migränechirurgie» oder Piercings an den Ohren
dagegen können Sie vergessen. Es gibt keinen Grund, sich deshalb operieren oder
den Ohrknorpel durchstechen zu lassen.
Pestwurzextrakt könnte hilfreich sein. Mutterkraut scheint ebenfalls eine
Wirkung zu haben, allerdings nur schwach. Es reduzierte die Anzahl der
monatlichen Attacken von 4,8 auf 2,9 – das waren 0,6 Anfälle weniger als mit
Placebo. Solche Durchschnittswerte können jedoch täuschen, denn im Einzelfall
gibt es bei allen vorbeugenden Mitteln Betroffene, die kaum noch Migräneattacken
erleiden. All diese Studien erlauben aber kein abschliessendes Fazit, weil sie
zu wenige Teilnehmer hatten, andere Mängel – oder weil sie zu widersprüchlichen
Ergebnissen kamen. Mutterkraut-Tee nützt übrigens nichts, weil die Inhaltsstoffe
nicht ins Wasser übergehen.
Ein Produkt namens «Migravent» reduzierte die Schwere der Migräne in einer
Studie mit 130 Patienten. Es enthält Vitamin B2, Magnesium, Coenzym Q10 und eine
Reihe weiterer Vitamine und Spurenelemente. Coenzym Q10 allein kann ebenfalls
hilfreich sein, so das Resultat einer kleinen Studie. Empfohlen werden dreimal
täglich 100 Milligramm. Einige Studien haben gezeigt, dass bei Menschen mit
Neigung zu erhöhtem Blutdruck eine gesunde Ernährung mit reduziertem Salzkonsum
(zum Beispiel die DASH-Diät) die Kopfschmerzanfälle ebenfalls reduzieren kann.
Dort wurde aber nicht zwischen Migräne und anderen Kopfschmerztypen
unterschieden.
Im Jahr 1979 postulierten Forscher, dass bestimmte Botenstoffe des
Trigeminusnervs Migräne verursachen können. Einer dieser Stoffe, abgekürzt CGRP,
weitet nur die kleinsten Blutgefässe und vermittelt Schmerzsignale, zum Beispiel
aus den Hirnhäuten. Neue Antikörper blockieren die schmerzauslösende Wirkung von
CGRP. Die Wirkstoffe heissen Erenumab, Galcanezumab oder Fremanezumab und sind
in der Schweiz bereits zugelassen. In Studien reduzierten diese Spritzen die
Migränetage um 3,2 bis 6,6 Tage pro Monat. Zum Vergleich: Eine Placebobehandlung
ersparte den Patienten 0,2 bis 4,2 Migränetage. Einzelne Patienten profitieren
sehr von dieser Behandlung: Sie haben zum Beispiel statt 22 Migränetagen pro
Monat gar keinen mehr – trotzdem gibt es auch Kritik an diesen neuen
Medikamenten. Wirkstoffe, die auf «-gepant» enden, setzen ebenfalls bei CGRP an,
sind aber zum Einnehmen. Sie sind noch in der Pipeline oder knapp vor der vom
Hersteller erwarteten Zulassung für die USA. Auch der neue Wirkstoff Lasmiditan,
der im akuten Migräneanfall helfen soll, ist in der Schweiz bisher noch nicht
zugelassen.
Die Fachblätter «Arznei-Telegramm» und «Pharma-Kritik» kritisieren, dass die neuen Medikamente nicht mit erprobten Vorbeugemedikamenten verglichen wurden, sondern nur mit Placebo – und da sei der Vorteil «verhältnismässig bescheiden». Insbesondere, wenn man die Kosten berücksichtige: rund 8000 Franken Jahreskosten für die neuen Spritzen im Vergleich zu 160 Franken pro Jahr für einen bewährten Betablocker. Ausserdem, geben sie zu bedenken, wisse man noch wenig zur Langzeitverträglichkeit. Sie raten, die Mittel nur einzusetzen, wenn alle anderen Optionen erfolglos waren oder nicht möglich sind.
Auch vonseiten der Ärzte, die mit den neuen Medikamenten Erfahrungen gesammelt
haben, kam Kritik – aber nicht an den Medikamenten, sondern an den Behörden. Die
Krankenkassen brauchen die neuen Medikamente nur ab mindestens 8 Migränetagen
pro Monat zu vergüten. Das sei Willkür, kritisieren die Ärzte. Ausserdem
verlangt das Bundesamt für Gesundheit, dass die neuen Medikamente spätestens
nach einem Jahr für drei Monate abgesetzt werden, um zu prüfen, ob sie noch
nötig sind. Bis die Behandlung weitergehen könne, würden meist etwa vier Monate
vergehen, während derer die Patienten wieder leiden würden.
«Für fast alle Patienten, die gut auf die neuen Behandlungen angesprochen haben,
bedeutet das ‹zurück in die Hölle› für mindestens drei Monate», sagt Reto
Agosti, Chefarzt des Kopfwehzentrums Hirslanden. Überdies habe sich gezeigt,
dass die neuen Medikamente mit zunehmender Dauer – ohne Behandlungsunterbrüche –
immer besser wirken.